Prozessforschung im Mathematikunterricht – Zum Prozess des Aufwerfens mathematischer Probleme
Probleme sind das Herz der Mathematik (Halmos, 1980, S. 524). Dabei steht bei der Beschäftigung mit mathematischen Problemen nicht alleine die Tätigkeit des Problemlösens im Zentrum, sondern auch die des Aufwerfens mathematischer Probleme, das sogenannte Problem Posing. Darunter versteht man das Generieren neuer sowie das Reformulieren gegebener Probleme (Silver, 1994, S. 19). Dieser Tätigkeit schreibt die Mathematik eine zentrale Bedeutung zu, und doch ist die Aufmerksamkeit, die man diesem Thema auf Seiten der mathematikdidaktischen Forschung zuspricht, äußerst gering. Insbesondere fehlen gesicherte Erkenntnisse, ob bei dieser Tätigkeit bestimmte, immer wiederkehrende Phasen durchlaufen werden bzw. beobachtet werden können (Cai u. a., 2015, S. 14). Entsprechende normative bzw. deskriptive Prozessmodelle sind für das Problemlösen bereits etabliert (z. B. Pólya, 1949; Schoenfeld, 1985; Rott, 2014); für das Problem Posing gibt es bislang kein allgemein akzeptiertes Modell.
Innerhalb dieser Forschung zum Problem Posing wird untersucht, inwieweit sich die Tätigkeit des Aufwerfens mathematischer Probleme durch ein Modell phasisch beschreiben lässt. Können in Problem-Posing-Prozessen Phasen identifiziert werden? Wie lassen sich diese Phasen inhaltlich beschreiben? Treten bei Problem-Posing-Prozessen wiederkehrende Muster auf und lässt sich ein phasischer Aufbau erkennen?
Erste Ergebnisse (Baumanns & Rott, 2018) lassen fünf solcher wiederkehrenden Phasen erkennen, die zum Teil an die Phasen des Problemlöseprozesses erinnern. Darüber hinaus wurden Episoden beobachtet, die bislang in den theoretischen Modellen des Problemlösens und Problem Posings unberücksichtigt geblieben sind. Prozessuale Muster bei der Abfolge der Phasen, die sich bei den beobachteten Prozessen gezeigt haben, wurden in einem Prozessmodell zusammengefasst.
Dieser thematische Fokus hat sich aus den Forschungsprojekt MBF2 (Mathematische Begabung im Fokus – in der Sekundarstufe II) ergeben, in dem mathematisch interessierte Schüler*innen der Sekundarstufe II unter anderem zum Aufwerfen von Anschlussfragen aufgefordert wurden. Nicht selten wird Personen, die reichhaltige Probleme aufwerfen, mathematische Kreativität und Begabung attestiert (vgl. Yuan & Sriraman, 2011). Die Erfahrungen während der Tätigkeit am Projekt MBF2 mit Schüler*innen ist in die Entwicklung der Thematik des hier vorliegenden Forschungspro-jekts eingeflossen.